Es geht auch ohne Führungskräfte

Unternehmer Stephan Heiler referierte vor Berufsschülern
der Carl-Theodor-Schule

Ein Wirtschaftsunternehmen ohne Chefs – das konnten sich die Auszubildenden der Sparten Großhandels-, Industrie- und Dialogkaufleute sowie E-Commerce erst einmal nicht vorstellen.  Stephan Heiler, Eigentümer der Firma Alois Heiler GmbH, stellte ihnen auf Einladung der Fachlehrerin Nicola Hoefs vor, wie er im eigenen Betrieb einen Prozess einleitete, der dazu führte, dass er keine einsamen Entscheidungen als Chef mehr fällen muss. Die Entscheidungen treffen jetzt die Mitarbeiter, die für den jeweiligen Bereich zuständig sind, oder – in etwa 20% der Fälle – das Plenum der 60 Beschäftigten. „ Es macht mehr Spaß, auf Augenhöhe mit den Mitarbeitern zu arbeiten. Außerdem kostet Hierarchie Zeit“, umriss Heiler seine Motivation für die Umstrukturierung.

Als er 2014 seinen Führungskräften diese Entscheidung mitteilte, kündigten fünf von sieben. Zu seiner Überraschung zeigte sich jedoch keine nennenswerte Veränderung, das Fehlen der Führungskräfte machte sich nicht bemerkbar. „Die Teams sind ohne Führung stärker unterwegs“, erklärte Heiler dieses Phänomen. Das komme daher, dass die Mitarbeiter näher am Kunden und an der Produktion seien und eher wüssten, was gut für den Betrieb sei. Ein weiterer Pluspunkt: Während sich in Betrieben mit Hierarchie oft Widerstände gegen Entscheidungen der Chefs und Chefinnen bildete, gäbe es das in einem Betrieb, der kollektiv geleitet würde, nicht, da alle an den Entscheidungen beteiligt seien.

Inzwischen entscheiden die Mitarbeiter Heilers nicht nur, wer eingestellt, sondern auch, wer entlassen wird. „Seitdem wird bewusster mit Einstellungen umgegangen“, erläuterte Heiler, der den Ablauf dieser Prozesse in seinem Buch „Chef sein? Lieber was bewegen“ beschreibt. Sein nächster Schritt ist es, die Firma an die Mitarbeiter zu verkaufen. Damit setzt er sich dem Risiko aus, selbst entlassen zu werden. „Ich brenne für die Sache“, betonte er, „und solange ich das tue, werde ich bleiben dürfen“.

Ein Trio aus drei Schülerinnen – Lamiya Michelle Inci, Ileana Silber und Veronika Worsztan – stellte in einem Speeddating Fragen zur Gründungsphase:„Warum sind Sie diesen Weg gegangen?“ Für Heiler war das eine Frage der Unternehmenskultur, die zu ihm passe: „Ich wollte keine Hierarchien.“ Wem eine Führungskarriere und Status wichtig seien, der bewerbe sich nicht bei ihm. Aus dem Schülerplenum kamen Fragen nach der Umsetzbarkeit in großen Betrieben. Heiler verwies auch hier auf die Unterschiede zwischen den Unternehmensstrukturen:„Wer Rendite will, der will schnell viel Geld machen und das ist mit dieser Unternehmenskultur nicht in Einklang zu bringen“. Wer aber „raus aus dem Hamsterrad“ und mit viel Spaß gute Produkte herstellen wolle, der sei in einem kollektiv geführten Betrieb richtig. Berufsschüler Benjamin Adrovic dankte dem Unternehmer für den inspirierenden Vortrag. Aber auch nach Ende der Veranstaltung rissen die Fragen der angehenden Kaufleute nicht ab.